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„Blauer Himmel über China“
2015-04-30
 

Text/Carla Beier, He Xin, Foto/He Xin 

Die Wirtschaft steht an erster Stelle, die Umwelt wird vernachlässigt. Doch muss es so sein? Auf der Umweltkonferenz in der Deutschen Botschaft in Beijing trafen sich Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Forschung um sich über die Vereinbarkeit von Umweltschutz und Wirtschaftswachstum auszutauschen. 

Bei der Paneldiskussion (von links): Moderator Björn Conrad von MERICS, Prof. Wang Yi von der Chinese Academy of Sciences, Dr. Axel Schweitzer von ALBA, Prof. Wang Jinnan von der Chinese Academy of Environmental Planning und Dr. Norbert Salomon vom deutschen Bundesministerium für Umwelt 

Am Dienstag fand in der Deutschen Botschaft in Beijing das Symposium „Umweltinnovation – Deutsch-Chinesische Lösungswege“ statt. Die Umweltkonferenz wurde in Zusammenarbeit mit dem in Berlin ansässigen Mercator Institute for China Studies (MERICS), einer Initiative der Stiftung Mercator zur gegenwartsbezogenen und praxisorientierten China Forschung und der dem chinesischen Umweltministerium unterstellten Vereinigung China Association of Environmental Protection Industry (CAEPI) ausgerichtet. Rund 150 Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Forschung aus China und Deutschland kamen dort zusammen, um über die Vereinbarkeit von Wirtschaftswachstum und Umweltschutz zu diskutieren. Neben Vertretern des deutschen wie chinesischen Umweltministeriums und hochrangigen Wissenschaftlern, die sich mit Urbanisierung und Umweltschutz beschäftigen, war auch der Bürgermeister von Baoding, einer Stadt nahe Beijings, die stark von Umweltverschmutzung betroffen ist, anwesend.

China und Deutschland: Leidensgenossen in Sachen Umweltverschmutzung 

In seiner Grußansprache skizzierte der deutsche Botschafter Michael Clauss anfangs das Bild einer verschmutzten Stadt, deren Himmel aschgrau ist und bei der so mancher Zuhörer umgehend in China zu sein glaubte. Jedoch entstammt die Schilderung aus einem Zeitungsartikel, der Anfang der 60er Jahre in der deutschen Presse erschien und vom Ruhrgebiet handelt, wo die Umweltverschmutzung derzeit so stark war, dass innerhalb einer Woche 150 Menschen ums Leben kamen, darunter auch Kinder.

Der deutsche Botschafter Michael Clauss beantwortet Fragen der Journalisten auf einer Pressekonferenz während des Symposiums 

Wie China heute stand auch Deutschland damals zwischen den vermeintlichen Fronten des deutschen Wirtschaftswunders und der gewaltigen Umweltverschmutzung, die dieses mit sich brachte. Deutschland hatte damals zwei Optionen, denn dass zum Schutze seiner Bürger gehandelt und die akute Umweltverschmutzung eingedämmt werden musste, stand außer Frage. Es musste also entweder Industrie abgebaut oder Technologien entwickelt werden, die es ermöglichen industriell führend zu bleiben und die Umwelt dabei zu schonen. Deutschland setzte auf die zweite Option und ist heute nicht nur ein Meister im Umweltschutz, sondern industriell stärker denn je.

Vor diesem Hintergrund der gleichen, wenn auch zeitlich verschobenen, Ausgangsbedingungen der beiden Länder China und Deutschland könne China von den deutschen Erfahrungen und den vorhandenen Umwelttechnologien profitieren und auf Basis der zwischen Merkel und Li Keqiang geschlosenen Innovationspartnerschaft gemeinsam einen „Weg des grünen Wachstums“ beschreiten.

Neue Umweltgesetzgebung in China 

In China ist in Sachen Umweltschutz bereits viel passiert.

Seit dem Jahr 2012 betreibt die Volksrepublik gezielt den Aufbau einer „ökologischen Zivilisation“. Am 1. Januar 2015 ist ein neues Umweltschutzgesetz in Kraft getreten, das strengere Umweltschutzbestimmungen und härtere Strafen gegen Verstöße vorsieht. Laut Yuan Si, dem Vize-Vorsitzenden des Komitees für Umwelt- und Ressourcenschutz des Nationalen Volkskongresses (NVK), befinden sich die Gesetze gegen Luft- und Wasserverschmutzung gerade in der Revisionsphase. Dabei dienen deutsche wie auch fortschrittliche Umweltgesetze anderer Länder als Vorlage.

Die entsprechenden Gesetze sind größtenteils geschaffen, an der Umsetzung und Einhaltung der Unternehmen hapert es jedoch noch. Wang Jinnan, Vizedirektor der Chinese Academy for Environmental Planning (CAEP) spricht davon, dass im Hinblick auf die Kontrollen zur Einhaltung der Umweltbestimmungen noch Verbesserungsbedarf besteht. Es würden zwar Kontrollteams in die Unternehmen geschickt, doch „nachdem diese weg sind, läuft alles wieder wie bisher“.

Innovation sei daher nicht nur auf technischer Ebene, sondern auch im Bereich des Umweltmanagments gefragt. Im Vergleich zu Deutschland herrsche in den chinesischen Unternehmen oft wenig Bewusstsein für Umweltschutz, was es der Regierung erschwert die neuen Gesetze wirklich durchsetzen zu können.

Dr. Axel Schweitzer, CEO des Berliner Receyclingunternehmens ALBA, das seit 20 Jahren in China tätig ist, betont in diesem Zusammenhang, dass in Deutschland Einzelpersonen für Ordnungswidrigkeiten in diesem Bereich haftbar seien und keine „ganzen Unternehmen“. Aufgrund der hohen Medienwirksamkeit könnten es sich Unternehmen in Deutschland auch schlichtweg nicht leisten, Umweltsünden zu begehen, da diese für negative Schlagzeilen sorgen und somit dem Ruf des Unternehmens massiv Schaden würden.

Umwelt versus Wirtschaft? 

Die Frage, ob Umweltschutz auf Kosten der wirtschaftlichen Entwicklung gehen muss, beantwortet auch die chinesische Seite mit einem klaren „Nein“. Xu Shufan, der stellvertretende Abteilungsleiter des Ministeriums für Umweltschutz (MEP), betont, dass die Umweltindustrie als Teil der chinesischen Volkswirtschaft zunehmend zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beiträgt. Die drei großen staatlichen Aktionspläne zum Schutz von Wasser, Boden und Luft sollen beispielsweise ein Kapital von sechs Billionen Yuan (881,4 Milliarden Euro) generieren.

Dass sich Umweltschutz und Wirtschaftswachstum nicht ausschließen, sondern im Gegenteil Umweltschutz ein Innovationstreiber ist und Wirtschaftswachstum durch Umweltpolitik erreicht werden kann, hebt auch Dr. Norbert Salomon vom deutschen Bundesminsiterium für Umwelt hervor.

Schutz geistigen Eigentums als Voraussetzung für Innovation 

Viele deutsche Umwelttechnologien führen den weltweiten Markt an und können China als Vorbild dienen. Da ein simples Verpflanzen der deutschen Technologien nach China jedoch nicht so einfach gelingt, und die deutschen Technologien an die chinesischen Spezifika angepasst werden müssen, sind Partnerschaften zwischen chinesischen und deutschen Unternehmen und Forschern von großer Bedeutung. Um wirklich Innovation zu schaffen, müssen sich diese laut Björn Conrad von MERICS von der traditionellen Rollenverteilung – Deutschland liefert Technologie, China verschafft Maktzutritt – lösen. Gefragt sind gleichberechtigte Innovationspartnerschaften, die tiefer gehen und somit auch offener sind, was das Know How angeht.

Genau davor fürchten sich jedoch viele deutsche KMUs, ist doch das Know How deren Existenzgrundlage. Der Schutz geistigen Eigentums ist in diesem Zusammenhang das Schlagwort. „Sprechen Sie dieses Thema den chinesischen Partnern gegenüber offen an“, rät Schweitzer in diesem Zusammenhang und erzählt, dass das Unternehmen ALBA damit gute Erfahrungen gemacht hat. Auch fordert er deutsche Unternehmen dazu auf, von der chinesischen Denkweise, die oft erstaunliche Lösungsansätze entwickelt, zu lernen und plädiert in Sachen Umwelttechnik dafür, die „Kulturen zu vereinen und in sachbezogene Lösungen zu überführen“.

 
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