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Bücherwürmer in der Mitte der Gesellschaft
2016-04-07
 

Der „Bookworm“ in Beijing dient vielen als zweite Heimat. Auch in Chengdu und Suzhou ist seit Jahren der Wurm drin. Geschäftsführer Peter Goff berichtet über die Entstehung dieses besonderen Buchladens und was dieses Jahr auf dem Plan steht. 

Peter Goff ist sehr beliebt unter den Expats in Beijing, Chengdu und Suzhou. Dies gilt auch für seine „Bookworms“, eine Mischung aus Buchladen und Café, die er in den drei Städten besitzt.

Als der junge Goff von einem Bild des Victoria Harbours im Dubliner Wohnzimmer seiner Eltern in den Bann geschlagen wurde, ahnte er noch nicht, dass er später einmal Geschäftsführer eines Buchladens in China sein würde, der von Lonely Planet einen Platz auf der Liste der besten Buchläden der Welt bekommen würde.

„Das Gemälde war meine erste Verbindung zu Hongkong und diesem Teil der Welt“, sagt Goff, „es war wunderschön: ein Vollmond über Paddelbooten und Dschunken im Hintergrund.“

Er redet schnell im Beijinger „Bookworm“, dem Bücherwurm. Das Geschäft befindet sich in einem Gebäude mit einer auffallenden rosa Fassade, während im Inneren rote Laternen von der hohen Decke hängen und Musik in der Luft liegt. Es ist eine Bibliothek tausender englischsprachiger Büchern.

Von manchen internationalen Medien gepriesen als einer der schönsten Buchläden der Welt, ist es für viele zu einer zweiten Heimat geworden.

„Peter gibt mir nicht nur das Gefühl willkommen, sondern ein Teil einer Familie zu sein“, sagt Raquel Soto Sanchez, die halbtags im Laden arbeitet.

Goffs Bemühungen umfassen nicht nur seine Gastfreundschaft gegenüber Kunden und Mitarbeitern sowie seine Leidenschaft für Bücher, sondern auch innovative Ideenbei der Führung eines Ladengeschäfts für Bücher im digitalen Zeitalter.

„Bücherläden verlassen sich normalerweise darauf, Verkaufsklassiker und Neuerscheinungen in die Regale zu stellen. Das funktioniert auch. Doch wir versuchen uns über eine Gemeinschaft zu entwickeln und viele Veranstaltungen zu organisieren“, sagte er.

Der kundennahe „Bookworm“ hat ein Jahresprogramm und ein jährliches Literaturfest, welches am letzten Sonntag sein Ende fand. Goff hat sich auch daran gemacht, eine Zeitschrift zu veröffentlichen, neben den Aufgaben der Literaturpreisverleihung und der Verlagsführung.

„Bookworm dient nicht nur als ein Buchladen, sondern auch als eine zuverlässige Quelle und Plattform für den Ideenaustausch, offene Diskussionen und Debatten für die internationale Gemeinschaft“, schrieb Georg Jensen für den Blog „Lum Dim Sum“.

Das diesjährige Bookworm Literature Festival heißt 180 Schriftsteller und Denker aus 30 Ländern auf 300 Veranstaltungen willkommen. Früher waren bereits Peter Hessler, Benjamin Zephaniah, Howard Goldblatt sowie heimische Autoren wie Mo Yan, Yan Lianke und Bi Feiyu auf dem Festival vertreten.

„Da wir das schon seit zehn Jahren machen, wissen die Leute, worum es geht und planen voraus“, sagt Goff und fügt hinzu, dass Botschaften und internationale Schulen bereits darüber diskutieren, wen man nächstes Jahr einladen solle.

Nach Goffs Ansicht ist China seit den letzten zehn Jahren „zugänglich wie noch nie zuvor“ geworden, mit einem immer attraktiveren Verlagsmarkt. Er sagt, dass viele ausländische Schrittsteller „mit ihren eigenen pädagogischen Zwecken“ nach China gekommen seien.

China sei für ihn „eines der Länder, die ein internationaler Autor nicht versäumen darf“ und rät Schriftstellern mit offenen Augen und Ohren zu kommen und soviel wie möglich in sich aufzunehmen. „Du musst herkommen, du musst es für dich selbst sehen, fühlen, anfassen, riechen, bevor du dich einen globalisierten Schreiber nennen kannst“, sagt er.

Er ist fasziniert von der Tiefe, Vielfalt und dem Genre der gegenwärtigen chinesischen Literatur. „Chinesische Autoren sind sehr involviert in die Gesellschaft in der sie leben. Sie engagieren sich seit Jahre in weitreichenden Diskussionen zu Themen wie Umweltbewusstsein, Selbstverständnis, Zugehörigkeitsgefühl und soziale Gerechtigkeit,“ fügt er hinzu.

Goff wurde 1968 in Dublin geboren. Seine Familie „hatte keine Verbindung mit China“, abgesehen von dem Gemälde im Wohnzimmer.

Nach seinem Studienabschluss in Journalistik vom Rathmines College 1992, arbeitete er für verschiedene Zeitungen, die ihn nach Afrika und Mitteleuropa brachten.

2000 zeigte er sich bereit dazu, in Hongkong zu arbeiten. Zu dieser Zeit hat ihn das „Chinafieber“ gepackt und er war „fasziniert davon, wie dynamisch China in einer Zeit des rapiden Wandels war“, wie er 2015 in einer Kolumne für China Daily schrieb.

Dann kam er nach Beijing „ohne Freunde und ohne Verwandte vor Ort“, lebte im Bezirk Haidian, wo er Chinesisch lernte und eine Wohnung fand, bevor er sich einen Job suchte.

„Es gab mehr einstöckige Gebäude und mehr Fahrräder in der Stadt, als ich hier ankam“, erinnert er sich.

2002 begann er zusammen mit Alexandra Pearson, der Tochter eines britischen Diplomaten, eine große englische Buchsammlung zu verwalten, welche als Grundlage für den derzeitigen „Bookworm“ dienen sollte.

Goff ging nach Chengdu in der Provinz Sichuan, um dort 2006 eine Zweigstelle zu eröffnen und ein Jahr später eine weitere in Suzhou in der Provinz Jiangsu.

„Ich suchte nach einem Rückzugsort, einer Brücke zwischen Ost und West, zwischen Lesern und Schreibern. Eine soziale Gemeinschaftsplattform, wo Menschen sich treffen könnten, um Musik zu hören, gutes Essen zu essen, zusammen zu sitzen und Leute aus aller Welt treffen könnten“, sagt er.

Seine Erfahrungen in Chengdu haben ihn tief geprägt. Dort entwickelte er auch eine Vorliebe für scharfes Essen und liebt es seitdem, internationale Autoren zu Feuertopf-Abendessen einzuladen, selbst wenn sie in Beijing sind.

Er war auch an vorderster Front und half bei den Rettungsarbeiten, nachdem Sichuan im Mai 2008 von einem Erdbeben verheert worden war. Er setzte seine Erdbebenhilfe bis 2015 fort und überantwortete zusammen mit seinem Team den örtlichen Behörden eine Schule.

„Ich habe mich irgendwie in Chengdu verliebt. Ich liebe die Atmosphäre und habe mir dort ein Haus gekauft, das mein zweites Zuhause neben Dublin ist“, sagt er.

Goff hat einen Teil von Pearsons Verpflichtungen übernommen, nachdem sie 2013 nachhause zurückgekehrt war und ist seitdem in Beijing ansässig. Seine Hobbys umfassen Fußball, Wandern, Schwimmen und viel Lesen.

Obwohl er nicht mehr so viel reist wie früher, geht er immer noch zu Literatur-Festivals rund um den Globus, einschließlich der Top-Ferienziele Toronto, London und Jaipur.

„Jede Stadt von Weltrang hat ein Literatur-Festival von Weltrang“, sagt er.

Fragerunde 

Bereuen Sie es, in China geblieben zu sein? 

Ich bereue das kein bisschen. Ich hatte bisher eine wundervolle Zeit in China. In vielerlei Hinsicht ist es eine Ehre, denn China ist ein wundervolles Land mit einer unglaublichen Vergangenheit und spannenden Zukunft. Und ich denke, dass es einfach großartig ist, die Möglichkeit zu haben, hier zu sein und mitanzusehen, wie schnell sich das Land tagtäglich wandelt, die Gesellschaft blühen zu sehen und mitzuerleben, wie China ein wichtiges Mitglied der Weltgemeinschaft wird. Es ist einfach großartig, Zeuge dessen zu werden.

Welche Art von chinesischen Autoren möchten Sie der Welt gern vorstellen? 

Autoren, die etwas Frisches und Neues bieten können.

Ich suche nach Menschen, die Geschichten schreiben, die heute spielen und wirklich die Erfahrungen widerspiegeln, die junge chinesische Autoren in der Gesellschaft machen in der sie leben. Und dann sind da all die Dinge mit denen sie umgehen müssen: die Verstädterung, beruflicher Druck, Beziehungsdruck, Druck seitens der Familie, Umweltprobleme. All diese verschiedenen Dinge kommen zusammen und sind jeden Tag beobachtbar.

Menschen weltweit haben immer noch eine eher historische Sichtweise auf China, basierend auf Filmen und Büchern, die sie gesehen haben. Es ist wichtig, dass Neues rauskommt, nicht um dann die großartige Geschichte zu ignorieren, sondern um gegenwärtige Materialien von jungen, energischen, charmanten und klugen Leuten zu haben.

Wie sieht Ihr typischer Tag aus? 

Morgens bin ich zuhause, lese, schreibe und kümmere mich um meine E-Mails.

Ich komme immer mittags zum „Bookworm“ und mache ein bisschen Verwaltungsarbeit mit dem Team. An den meisten Abenden, ungefähr um sieben Uhr, bereite ich die täglichen Veranstaltungen für die Nacht vor.

Was ist die größte Herausforderung, die sich einem Buchladen in Beijing stellt? 

Die größte Herausforderung für die Führung eines Buchladens und eines Literatur-Festivals ist ökonomischer Art. Die größte Gefahr für unser Bestehen jeden Monat ist, wie wir die Miete zahlen, das Geld für die Flüge der vielen Schriftsteller auftreiben. Und das jedes Jahr.

Dieser Tage müssen Buchläden nach alternativen Einkommensmöglichkeiten Ausschau halten. Wir konzentrieren uns mehr auf Veranstaltungen und so weiter. Mir ist egal, welchen Weg ein Buchladen einschlägt, um sich zu halten und bin froh darüber, was wir tun.

Was lesen Sie? Wer ist Ihr Lieblingsautor aus China? 

Neben meinem Bett habe ich einen großen Stapel. Mein derzeitiges Lieblingsbuch ist „Wish Lantern“ von Alec Ash, welches bald veröffentlicht wird. Es handelt von der heutigen chinesischen Jugend, wohin sie strebt, welche Probleme sie hat, wie sie hinaus in die Welt geht.

Ich bin auch von Yan Lianke begeistert und ein großer Fan von ihm. Auch die Autoren, die wir dieses Jahr zum Bookworm-Festival eingeladen haben, gehören zu meinen Lieblingen: A Yi, Han Song, Yi Sha. Sie sind so anders und so wundervoll.

 
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