Home  >  Nachrichten
 Artikel Versenden   Artikel Drucken    
 
EU-Botschafter in China: Wichtige Zeit für Europa und China
2017-03-30
 

Im Interview mit People’s Daily spricht Hans Dietmar Schweisgut unter anderem über seine persönlichen Erfahrungen in China, die „Belt and Road“-Initiative und seine Hoffnungen für die zukünftige Kooperation zwischen China und der EU.

Kurz nach dem Abschluss der Jahrestagungen des Nationalen Volkskongresses (NVK) und der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes (PKKCV) und im Vorfeld des „Belt and Road“-Forums für internationale Zusammenarbeit im Mai, zeigte sich der EU-Botschafter in China, Hans Dietmar Schweisgut, für ein Interview mit People’s Daily bereit, um seine Ansichten zu einer Reihe von Themen zu erörtern.

People’s Daily: Sie haben von 2003 bis 2007 in Beijing als österreichischer Botschafter gearbeitet und sind 2014 nach China zurückgekehrt, diesmal als Botschafter der Europäischen Union. Könnten Sie etwas über Ihre Erfahrungen in China berichten?

Schweisgut: Ja, mit Vergnügen. Ich habe ehrlich gesagt nicht erwartet, dass ich beruflich nach China zurückkomme. Ich hatte die Gelegenheit, hier als österreichischer Botschafter von 2003 bis 2007 zu sein, was faszinierende Jahre waren, kurz vor den Olympischen Spielen in Beijing. Damals haben sich, denke ich, die Beziehungen zwischen Österreich und China – oder allgemeiner Europa und China – sehr gut entwickelt. Und als ich dann vom österreichischen System zum Diplomaten des Europäischen Auswärtigen Dienstes wechselte, bekam ich die Gelegenheit, nach Asien zurückzukehren. Ich habe in Tokio meine Arbeit als EU-Botschafter begonnen und bin dann 2014 wieder nach China gekommen. Das ist eine großartige Gelegenheit und ich denke, es ist eine sehr wichtige Zeit für die Europäische Union, eine sehr wichtige Zeit für China. Ich hoffe daher, einen kleinen Beitrag zur Weiterentwicklung dieser wichtigen Beziehung zu leisten.

People’s Daily: Da Sie seit vielen Jahren in China gelebt und gearbeitet haben, haben Sie auch den großen Wandel und den Fortschritt der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung Chinas miterlebt. Welche Themen interessierten Sie bei den Jahrestagungen des NVK und der PKKCV besonders? Was halten Sie von den Bemühungen der chinesischen Regierung, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern?

Schweisgut: Wie Sie sagen, entwickelt sich China extrem schnell. In den sieben Jahren vor meiner Rückkehr hat China einen weiteren großen Sprung nach vorn gemacht. Es ist also sehr faszinierend zu sehen, dass sich diese wirtschaftliche und auch soziale Erfolgsgeschichte, die seit mehr als vier Jahrzehnten ihren Lauf nimmt, fortsetzt und dass das China, wie wir es heute sehen, ganz anders ist als jenes, welches ich vor zehn Jahre erlebt habe. Das ist also etwas, was ich wirklich schätze, etwas ganz Spektakuläres.

Gleichzeitig hat diese schnelle Entwicklung natürlich auch einen Preis. Schauen Sie zum Beispiel  auf die Umwelt, die ein großes Thema in China ist und auch von der Führung als eine der großen Fragen für die Zukunft angesehen wird. Es liegen Herausforderungen voraus, aber ich denke, dass sie angegangen werden. Ich denke, dass wir auch große Fortschritte in den Beziehungen Chinas zur Europäischen Union sehen. Wir können einen Beitrag zur Reform Chinas leisten, und das sehe ich momentan als eine der Hauptchancen.

Die zwei Jahrestagungen waren ein großes Ereignis im politischen Kalender Chinas. Sie konzentrieren sich in der Regel – verständlicherweise – auf die innere Entwicklung, Wirtschaft, soziale Fragen [...]. Ich denke, was wir besonders in diesem Jahr bemerkt haben, war die starke Botschaft der weiteren Öffnung und Reform, die wir gerne auch schnellstmöglich sehen würden. Wir haben auch einen Fokus auf die nachhaltige Entwicklung im weiteren Sinne festgestellt, unter anderem in Bezug auf Armutsbekämpfung, Umwelt und viele andere Dinge. Wir haben auch eine Entwicklung in Bezug auf den weiteren Ausbau der Rechtsstaatlichkeit, vor allem beim Zivilrecht und bei der Entwicklung eines Zivilgesetzbuchs gesehen. Natürlich wäre es sehr interessant zu beobachten, ob sich [...] Rechtsstaatlichkeit in allen Bereichen und auch der volle Schutz der Menschenrechte weiterentwickelt. Das sind einige der Themen, die wir wahrgenommen haben.

Ich möchte auch erwähnen, dass es nicht nur in diesem Jahr, sondern auch im vergangenen Jahr und noch früher ein starker Fokus auf der Innovation lag. Dies steht im Mittelpunkt des Wandels zu einem neuen Modell der wirtschaftlichen Entwicklung, welches mehr auf Innovation und Wissen basiert. Es ist auch, wie ich glaube, eine der Entwicklungen, die weitere Kooperationsmöglichkeiten eröffnen könnten, sofern dies nicht Teil einer auf Subventionen und staatlichen Interventionen basierenden Entwicklung wird, sondern mehr auf einem offenen, transparenten und marktbasierten Modell fußt, wo auch europäische Unternehmen und europäische Forscher Beiträge leisten könnten.

Es gibt eine ganze Reihe von wirtschaftspolitischen Fragen, bei denen wir Schwierigkeiten haben könnten. Aber ich denke, wir müssen in aller Fairness anerkennen, dass die chinesische Führung sich auf das integrative Wachstum und die Verbesserung der Lebensbedingungen des Volkes konzentriert [...]. Ich denke, alle von uns erkennen vorbehaltlos die große Leistung an, die durch diese wirtschaftliche Entwicklung erreicht wurde, die sicherlich das Leben des chinesischen Volkes in einem Ausmaß verbessert hat, welches sich vor 40 Jahren niemand vorgestellt hätte.


People’s Daily: Der 25. März ist ein großer Tag für Europa. An diesem Tag vor 60 Jahren wurden die Römischen Verträge unterzeichnet. Damit wurde die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ins Leben gerufen, die eine der drei Säulen der EU war. Seither hat Europa große Erfolge bei der Integration gemacht. Aber heute ist es mit Krisen wie der Euro-Schuldenkrise, dem Brexit und Terroranschläge konfrontiert. Zudem sind die euroskeptischen Stimmen stärker geworden. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation der EU und was erwarten Sie in Zukunft für die europäische Integration?

Schweisgut: Ich denke, wenn man so ein Jubiläum wie die 60 Jahre hat, fragt man sich immer: Sollten wir uns auf vergangene Errungenschaften, aktuelle Probleme oder zukünftige Herausforderungen konzentrieren? Ich denke, wir müssen alles tun. Wir müssen erkennen, dass Europa, wie Sie zu Recht erwähnen, in diesen 60 Jahren viel erreicht hat. Niemand hätte 1957 gedacht, dass es 60 Jahre später eine Union geben würde, die praktisch den ganzen Kontinent umfasst, die Teilungen der Nachkriegszeit überwindet – ein Kontinent in dem Frieden und Wohlstand herrschen und die Rechte aller Menschen respektiert werden, wo die Menschen frei arbeiten und in einem anderen Land studieren können. Das sind also große Erfolge, auch die Tatsache, dass die Europäische Union der größte Wirtschaftsblock der Welt ist. Sie hat eine gemeinsame Währung, die die zweithäufigste der Welt ist.

[Es gibt] viele Dinge, die wir erwähnen sollten, denn manchmal gehen sie im aktuellen Kontext ein bisschen unter. Aber zur gleichen Zeit haben wir diese Probleme, die Sie angesprochen haben. Wir haben eine anhaltende Wirtschafts- und Finanzkrise. Wir haben die Flüchtlingssituation, Terrorismus [...]. Wie Sie sagten, beschloss das Vereinigte Königreich, die Union zu verlassen. Das spiegelt wider, dass nicht alles in der Europäischen Union gut läuft. Das müssen wir anerkennen. Wir müssen die Gründe dafür verstehen und wir müssen einen angemessen Weg finden, um zukünftig weiterzumachen.

Ich denke, eines der Probleme ist, dass die heutigen Europäer alle [bisher erreichten] Errungenschaften für selbstverständlich halten. Wir müssen den Menschen in Europa zeigen, dass die Europäische Union wirklich einen Beitrag zur Veränderung ihres Lebens geleistet hat. Der zweite Grund dafür, warum wir mehr Menschen sehen, die Euroskeptiker werden, ist wahrscheinlich, dass alle Menschen nicht nur eine Sehnsucht nach wirtschaftlicher Sicherheit, sondern auch nach politischer Stabilität und Sicherheit haben. Und das ist etwas, worauf sich die Europäische Union in Zukunft konzentrieren muss. Wir haben die ökonomische und politische Krise weitgehend überwunden, aber das wird immer noch nicht von allen auch so wahrgenommen. Die Arbeitslosigkeit ist noch zu hoch und ein Bereich, woran wir weiter arbeiten müssen. Der andere Grund ist die innere und äußere Sicherheit, was den Kern dessen bildet, was die Europäische Union der 27 [Mitgliedsstaaten] in der Zukunft ansprechen muss. Dazu gehört auch der Umgang mit der inneren Sicherheit, aber auch mit externen Bedrohungen in der Nachbarschaft. Ich denke aber, das es eine sehr starke Entschlossenheit gibt, vorwärts zu kommen. Sie müssen wissen, auch diejenigen, die manchmal die Europäische Union kritisieren, meinen nicht unbedingt auch, dass sie auf die Europäische Union verzichten können. Sie ist unentbehrlich – keine Nation, kein Land in Europa kann dem Irrglauben anhängen, dass es im Alleingang zurechtkommt. Auf diese Art kann Europa den Herausforderungen der Zukunft nicht begegnen.

People’s Daily: Glauben Sie, dass ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten immer die Lösung für die europäische Integration sein wird?

Schweisgut: Sie haben da einen Begriff gewählt, der unter den Möglichkeiten, wie sich die Europäische Union in der Zukunft entwickeln könnte, sehr häufig erwähnt wird. Aber auch wenn ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten eine Anziehungskraft besitzt, müssen wir trotzdem noch dafür sorgen, dass dies die Einheit der Europäischen Union nicht untergräbt.

In gewisser Weise haben wir bereits ein mehrstufiges Europa, nicht alle 28 [Mitgliedsstaaten] haben den Euro eingeführt. Nicht alle sind Mitglieder des Schengen-Raums. Diese Beispiele sind bereits gegenwärtig. Ich denke, was die Leute im Sinn haben, wenn sie von einem Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten reden, ist, dass einige Länder, wie beim Euro und der Freizügigkeit von Menschen, die „Vorhut“ bilden könnten. Doch sie verstehen es so, dass dies ein offenes Modell sein sollte, dem alle Mitgliedsstaaten frei folgen können, wenn es ihnen beliebt. Es ist also kein Ersatz für das, was wir derzeit haben. Ich denke, es ist eine der Ideen, die erwähnt wurden, um eine Dynamik für die Zukunft der Integration zu vermitteln.

People’s Daily: „China wird auch weiterhin den europäischen Integrationsprozess unterstützen [...] Wir glauben, dass die Herausforderungen, mit denen Europa derzeit konfrontiert ist, eine Chance für die EU sein können, um heranzureifen.“ Der chinesische Außenminister Wang Yi hat diese Aussage vor einigen Tagen auf einer Pressekonferenz getätigt. Wir wissen, dass es keinen geopolitischen Konflikt oder Konflikt von grundlegenden Interessen zwischen China und der EU gibt. China und die EU respektieren und unterstützen sich gegenseitig im Umgang mit vielen internationalen Angelegenheiten. Was denken Sie, sollten China und die EU in Zukunft tun, um die bilateralen Beziehungen weiter zu vertiefen? Wie sollte man insbesondere Partnerschaften für Frieden, Wachstum, Reformen und Zivilisation ausbauen?

Schweisgut: Ich war natürlich sehr froh, die Bemerkungen von Außenminister Wang Yi zu hören, und ähnliche Bemerkungen wurden bei der abschließenden Pressekonferenz nach den Jahrestagungen von Ministerpräsident Li Keqiang gemacht. Ich denke, wir sind uns beide einig, dass es ein großes Potenzial gibt, die Beziehungen zwischen der EU und China weiter auszubauen. Ich gebe Ihnen nur einige Beispiele.

Sowohl China als auch Europa sehen sich als globale Akteure mit globalen Verpflichtungen. Wir haben bereits über den Klimawandel gesprochen. Wir sind uns einig über die Gesetze des UN-Systems als Zentrum. Damit ist es möglich, unsere Zusammenarbeit in diesen Bereichen – auch bei der nachhaltigen Entwicklung – zu stärken. Wir haben auch das Gefühl, in der Verantwortung zu stehen, wenn es um die genannten Krisen geht. Wir haben zusammengearbeitet, um die Atomfrage im Iran zu lösen. Wir haben bei Afghanistan zusammengearbeitet. Wir veranstalten in zwei Wochen eine Konferenz über Syrien in Brüssel, wo wir wieder auf eine starke chinesische Beteiligung hoffen. Das ist ein Gebiet, wie Sie es unter dem Oberbegriff „Frieden“ angesprochen haben, wo ich glaube, dass wir bereits stark zusammenarbeiten und wo wir in den letzten Jahren eine stetige Vertiefung der Beziehungen erlebt haben.

Es gibt bereits eine sehr starke wirtschaftliche Beziehung. Die Europäische Union ist Chinas größter Handelspartner und China unser zweitgrößter. Das ist etwas, was beiden Seiten zugute kommt. Gleichzeitig sehen wir, dass sich unsere Volkswirtschaften im digitalen Zeitalter wandeln. Chinas Wirtschaft wird immer ausgereifter. Dienstleistungen und Investitionen werden immer wichtiger, ähnlich wichtig wie Handelsgüter. Dies sind daher Chancen, die genutzt werden müssen. Wir hoffen, dies zu tun, indem wir unsere Verhandlungen über eine ehrgeizige, umfassende Investitionsvereinbarung beschleunigen, von der ich glaube, dass günstig für die Bereitstellung eines gleichberechtigten Spielfeldes und die Öffnung des chinesischen Marktes wäre – in gleicher Weise, wie sich der europäische Markt bereits geöffnet hat. Dies würde nicht nur für unsere Unternehmen neue Chancen eröffnen, sondern auch für den bilateralen Handel und für weitere kooperative Innovationen und zukünftige Vorbereitungen.

Ich denke, wenn wir in diese Richtung gehen könnten und China sich wirklich öffnen könnte, würde das auch dem chinesischen Einstehen für den internationalen Weltmarkt enorme Glaubwürdigkeit verleihen, wie wir in der Rede von Präsident Xi Jinping in Davos gesehen haben. Aber lassen Sie mich auch die persönliche Dimension erwähnen, die gleich wichtig – wenn nicht gar noch wichtiger – als viele andere Dinge ist. Eine wachsende Zahl von Chinesen und Europäern besucht einander und reist in das jeweils andere Land. Wir werden Verhandlungen über Visa-Erleichterungen und ein Rückübernahmeabkommen aufnehmen. Wir werden im nächsten Jahr das Europäisch-Chinesische Tourismusjahr begehen. Ich sehe daher auch eine große Erweiterung beim menschlichen Austausch, der im Mittelpunkt dessen steht, was wir tun.

People’s Daily: Vor 2.000 Jahren verband die Seidenstraße Rom und Xi’an. Nun hat China die „Belt and Road“-Initiative ins Leben gerufen, die definitiv neue Chancen für die EU und China bietet. Im Mai wird das „Belt and Road“-Forum für internationale Zusammenarbeit in Beijing stattfinden. Was sind Ihre Erwartungen für dieses Forum? Wie können China und die EU von der Initiative profitieren?

Schweisgut: Wir haben viele Seidenstraßen in den letzten 2.000 Jahren gesehen. Ich denke, wir sollten China und Staatspräsident Xi Jinping dankbar sein, dass wir diese Metapher benutzen, um die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit von Investitionen und Konnektivität zu lenken, um den wirtschaftlichen Austausch zu erleichtern. Wie vor einer Weile von internationalen Institutionen wie der Asiatischen Entwicklungsbank schon erwähnt wurde, brauchen wir mehr Investitionen, vor allem in der Infrastruktur.

Von europäischer Seite, wo wir viel Wert auf die bessere Verbindung von Europa und eine bessere Verbindung von Europa mit den Nachbarregionen legen, ist es sinnvoll, gemeinsam am eurasischen Vernetzungsgrad zu arbeiten. Eine Reihe von europäischen Staatsvertretern wurden zum Forum eingeladen. Von der Europäischen Kommission wurde Vizepräsident Katainen eingeladen und wird auch daran teilnehmen. Es wird eine gute Gelegenheit bieten, diese Konnektivität und die neuen Seidenstraßen offen zu besprechen. Wir denken auch, dass wir damit einen integrativen Ansatz schaffen können, der transparent ist, der alle relevanten Akteure einschließt, wo wir die Zukunft auf eine offene und transparente Weise gestalten können, um sicherzustellen, dass alle teilnehmenden Länder sich damit voll und ganz identifizieren und ein Eigentumsgefühl empfinden.

 
German.people.cn
Über uns - Kontakt - Feedback
© Ce.cn Alle Rechte vorbehalten.