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Ratingagenturen sind zu größtmöglicher Sorgfalt verpflichtet
2017-06-09
 

Ausgebliebene Warnungen vor Finanzkrisen, die weltweite Tragweite ihrer Entscheidungen und die Auslagerung grundlegender Aufgaben werfen Fragen zur Motivation und zum Verantwortungsbewusstsein der drei großen US-amerikanischen Ratingagenturen auf.

Aufgrund der Nichteinhaltung regulatorischer EU-Vorgaben belegte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) am 1. Juni Moody's Deutschland mit einer Strafzahlung über 750.000 Euro, die britische Niederlassung mit einer Strafe über 490.000 Euro. Der Schritt der EU und Beijings Zurückweisung von Moody's Herabstufung der Kreditwürdigkeit Chinas reflektiert die umstrittene Rolle von Ratingagenturen in der Weltwirtschaft.

Die ESMA teilte in einer öffentlichen Bekanntmachung mit, dass Moody's Filialen in Deutschland und Großbritannien „durch die öffentliche Bekanntmachung bestimmter Ratings und der dafür verwendeten Ratingmethoden fahrlässig zwei Verstöße gegen die Verordnung über Ratingagenturen begangen haben“.

Gegen Ende des letzten Monats hat Moody's zum ersten Mal in fast 30 Jahren Chinas Kreditwürdigkeit herabgestuft und dies mit einer voraussichtlichen Erosion der Finanzkraft des Landes in den nächsten Jahren infolge eines sich verlangsamenden Wachstums und der Anhäufung von Schulden begründet. Chinas Finanzministerium antwortete darauf, dass Moody's die Risiken der chinesischen Wirtschaft überschätzt und die Herabstufung auf eine „ungeeignete Methodik“ zurückzuführen ist.

Beide Fälle zeigen, dass Ratingagenturen aufgrund der Anwendung ungeeigneter Methodiken immer umstrittener geworden sind und sich zunehmend mit Herausforderungen vonseiten ihrer „Ratingobjekte“ konfrontiert sehen.

Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass eine bedeutende Ratingagentur wie Moody's infrage gestellt wird. Vor dem Ausbruch der asiatischen Finanzkrise der Jahre 1997 und 1998 versäumten es die drei großen Ratingagenturen Moody's, Standard and Poor's und Fitch, durch die Herabstufung der Bewertung betroffener Volkswirtschaften Alarm zu schlagen. Statt dessen haben sie nach dem Ausbruch der Krise schnell die Ratings einiger asiatischer Volkswirtschaften reduziert und damit die Krise verstärkt sowie die Situation verschlimmert.

Vor dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2008 hatten die drei wichtigsten Ratingagenturen ein positives Rating für Verbriefungen von Subprime-Krediten ausgegeben und dadurch die Krise verschärft.

Angesichts einer zunehmenden Infragestellung durch den Markt könnten die Ratingagenturen versuchen, sich vom Vorwurf der absichtlichen Einflussnahme zur Irreführung des Marktes frei zu sprechen, indem sie ihre Fehlurteile technischen Ungenauigkeiten zuschreiben. Tatsächlich ist es angesichts der hochkomplexen Struktur des Ratinggeschäfts praktisch unmöglich, den Agenturen eine versuchte Marktmanipulation zur Schädigung bestimmter Volkswirtschaften oder Unternehmen vorzuwerfen.

Da sie über einen beträchtlichen Einfluss auf den Finanzmarkt verfügen, müssen die drei Ratingagenturen allerdings Umstände sowie Daten sorgfältig prüfen und vor der Veröffentlichung ihrer Einstufungen Veränderungen der tatsächlichen Lage in Betracht ziehen.

Die drei wichtigen Ratingagenturen wurden 1975 von der US-Börsenaufsichtsbehörde als „Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (NRSRO) anerkannt. Die Behörde hat auch entschieden, dass sich ausländische Unternehmen vor einer Zulassung für den Kapitalmarkt der Vereinigten Staaten von einer NRSRO bewerten lassen müssen.

Unter den aktuell 10 als NRSRO anerkannten Unternehmen sind Moody's, Standard and Poor's und Fitch für mehr als 96 Prozent der weltweiten Ratings verantwortlich, was ihre monopolistische Macht auf dem Ratingmarkt verdeutlicht. Diese Macht ermöglicht ihnen einen beispiellosen Markteinfluss. Ihre Ratings besitzen unabhängig von der tatsächlichen Qualität der eingestuften Volkswirtschaften und Unternehmen eine große Tragweite für den weltweiten Handel und Investitionen.

Der immer komplexer werdende Finanzmarkt hat es den Ratingagenturen technisch unmöglich gemacht, sämtliche Finanzdaten aller bewerteter Unternehmen und Produkte zu erhalten und angemessen zu analysieren. Zuweilen müssen sie sich für Ratings auf die von anderen Zwischenhändlern gegebene Auskunft verlassen, was, wie vor der globalen Finanzkrise geschehen, die Genauigkeit der Ratingergebnisse beeinträchtigen kann.

Daher müssen die drei Ratingagenturen, selbst wenn wir die Möglichkeit der Ausnutzung ihrer Marktposition zur Irreführung des Marktes ausschließen, bei der Anpassung ihrer Bewertung von souveränen Nationen inmitten einer unruhigen Weltwirtschaft äußerst vorsichtig vorgehen.

1996 sprach der US-amerikanische Kolumnist Thomas Friedman von zwei weltweiten Supermächten. „Es gibt die Vereinigten Staaten, und es gibt Moody's Ratingservice. Die Vereinigten Staaten können Sie durch Bombenangriffe zerstören, Moody's durch die Herabstufung Ihrer Anleihen.“

Eine Supermacht sollte vor allem eine verantwortlich agierende Macht sein.

Der Autor, Xin Zhiming, ist Senior Writer von China Daily.

 
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