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Die Shaolin-Mönche sind in Bewegung ohne die Ruhe im Herzen zu verlieren
2015-04-09
 

  Von Carla Beier, Beijing

  Auf einem der heiligen fünf Berge Chinas, dem Songshan in der Provinz Henan, liegt das Shaolin-Kloster. Dort entwickeln und praktizieren die Mönche ihre weltberühmte Kungfu-Kampfkunst.

  In seinem Buch „Die Shaolin-Mönche“ beschreibt Felix Kurz, geboren 1953 in Nürnberg, Mitbegründer der Tageszeitung und langjähriger Spiegel-Redakteur, in Wort und Bild ganz unterschiedliche Biographien von Menschen, die sich im rasant entwickelnden China für ein Leben als chan-buddhistischer Mönch entschieden haben.

  Herr Kurz, was war die Motivation für Ihr Buch?

  Ich besuchte Anfang 2008 zum ersten Mal den Shaolin-Tempel. Im Vorfeld habe ich mich damals bemüht, bestimmte Informationen über die Shaolin-Mönche und das Leben im Kloster zu finden. Mich interessierte vor allem, warum wird heute noch jemand Shaolin-Mönch und wie leben diese Leute? Das wollte ich wissen. Ich konnte aber kein gutes Buch in westlicher Sprache finden und Chinesisch kann ich nicht lesen. Also beschloss ich, selbst ein Buch zu schreiben.

  Wie hat der Abt auf Ihr Buchprojekt reagiert?

  Ein Freund von mir, mit dem ich das erste Mal im Kloster war, genoss das Vertrauen des Abts Shi Yongxin. Er stellte mich dort vor. Danach bin ich jedes Jahr mindestens ein, zweimal dort gewesen. Durch den langjährigen Kontakt gewann ich dann das Vertrauen der Mönche. Das Buchprojekt gefiel dem Abt. Offenbar überzeugte ihn das Konzept von Sabine Kress, einer der besten Fotografinnen in Deutschland, und mir.

  Wie haben die Mönche Sie empfangen? Mit offenen Armen oder gab es auch Vorbehalte?

  Vorbehalte gab es. Doch nachdem der Abt zugestimmt hatte, gab es eine Sitzung, in denen er seine leitenden Mönche gebeten hat, uns zu unterstützen. Grundsätzlich waren alle recht offen mit Informationen, aber ab und zu hat mal ein Mönch gefragt, ob er eine bestimmte Frage wirklich beantworten müsse. Solche Reaktionen sind nicht ungewöhnlich, denn ich habe sehr viele persönliche Fragen gestellt, auch über den Familienhintergrund und die eigene Motivation ins Kloster zu gehen. Europäer sind es gewohnt, über sich zu sprechen, chinesische Mönche wohl eher nicht. So direkte Fragen hatte ihnen zuvor offenbar noch niemand gestellt.

  Wie haben Sie mit den Mönchen kommuniziert?

  Leider spreche ich kein Chinesisch. Für das Projekt hatte ich Dr. Ding Ding dabei. Er lebt seit 1989 in Berlin, ist ein Vertrauter des Abtes, ein guter Freund von mir und er kennt auch alle Mönche. Ohne ihn hätten wir das Projekt nie realisieren können.

  Im Kloster gibt es Dichter, Kalligraphen, Apotheker, Ärzte oder Kungfu-Mönche. Ihr Bildband enthält 13 Porträts. Wie kam es zu der Auswahl?

  Mir war es wichtig Mönche vorzustellen, von denen jeder eine andere Funktion im Kloster hat. Anhand ihrer unterschiedlichen Aufgaben lässt sich die Gesamtstruktur und die Organisation des Tempels gut erklären. So gibt es zum Beispiel acht leitende Mönche, die von allen Mönchen jeweils für ein Jahr gewählt werden. Nach diesem Jahr entscheidet die Vollversammlung der Shaolin-Mönche, wie sie ihre Jobs gemacht haben. Sind die Mönche unzufrieden, dann wählen sie andere für die Aufgaben. Hätte beispielsweise der Küchenchef den Erwartungen der Mönche nicht entsprochen, dann würde er abberufen und eben ein anderer für diese Funktion gewählt.

  Die Mönche sind also alle Multitalente? Ihre Funktion ist nicht von Anfang an festgelegt, sondern es kann sein, dass der Küchenchef irgendwann für die Meditation zuständig ist?

  Möglich wäre das. Es kann auch sein, dass der Küchenchef dann gar nichts mehr macht, auf Wanderschaft geht oder eben Räucherstäbchen verkauft (lacht). Das ist ganz normal. Der Buddhismus ist sehr liberal. Da ist es sogar möglich auszusteigen und zu sagen, ich mach jetzt mal einen auf Ehemann. Selbstverständlich kann man zurück in das Kloster kommen.

  Wer ist Ihr persönlicher Lieblingsmönch?

  Jeder Mönch, den ich kennen lernen durfte, hat eine besondere Geschichte. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Die Lebensgeschichte von Shi Xingzhen, der heute mit 75 Jahren im Gebirge für den Tempel Heilkräuter anbaut, hat mich sehr beeindruckt. Seine Ausstrahlung ist unglaublich. Als bettelndes Kind einer armen, kinderreichen Familie folgte er einem Shaolin-Mönch ins Kloster. So kam er dorthin. Später studierte er TCM. Er wohnt in einem alten Stall, den er sehr karg, aber mit viel Liebe eingerichtet hat. Eine Solarzelle versorgt ihn mit Strom und in einer Erdhöhle meditiert er.

  Auf den Bildern ist immer wieder ein kleiner Junge zu sehen. Die Mönche nennen ihn „Kleine Kiefer“, weil er so entschlossen ist. Wie kam er ins Kloster?

  Der kleine Knirps kommt aus einer relativ wohlhabenden Familie in Ürümqi. Er wollte unbedingt Shaolin-Kungfu lernen. Jet Li und Jacky Chan sind seine Vorbilder. Weil er noch so jung ist, ist seine Tante in die Nähe des Klosters gezogen und kümmert sich um ihn.

  Kleine Kiefer neben Großmeister und Cheftrainer Shi Yanzhuang

  Und wie wird man Shaolin-Mönch? Stimmt es, dass man tagelang vor der Klostertür ausharren muss?

  Kein Klischee passt oder alle treffen zu. Generell sind Shaolin-Mönche ordinierte chan-buddhistische Mönche. Sie legen ein Gelübde ab und dann müssen sie sich an feste Regeln halten. Frauen, Alkohol und Fleisch sind tabu. Shaolin-Mönch kann man erst mit 18 Jahren werden. Die Jüngeren sind sogenannte Kungfu-Mönche oder Kampfmönche. Sie werden direkt im Tempel in Kungfu ausgebildet. In der Regel sind es die Eltern, die zum Tempel kommen und ihre Kinder dort unterbringen wollen. Wenn sie dort ausgebildet werden, können sie danach eine Kungfu-Schule eröffnen, an Weltmeisterschaften teilnehmen oder im Sicherheitsdienst arbeiten. Das Kloster nimmt aber nicht jeden.

  Wie stellt man sich den chinesischen Zen-Mönch im digitalen Zeitalter vor?

  Alle Mönche haben Handys und Computer. Bis auf den Eremiten, den ich beschrieben habe. Er sagte mir, dass Buddha entscheidet, ob er jemanden wieder trifft. Er macht auch keine Termine. Die Mönche ziehen sich nicht aus der Welt zurück, sondern gehen aktiv in sie hinein. Der Abt steht deswegen ja oft im Kreuzfeuer. Ihm wird vorgeworfen, eher ein Geschäftsmann als ein Mönch zu sein. Doch diese Kritik ist meiner Meinung nach nicht berechtigt. Viele Politiker aus der ganzen Welt suchen den Kontakt mit dem Abt Shi Yongxin. Jeden Tag tummeln sich dort neben den Touristenscharen staatliche Delegationen aus aller Herren Länder.

  Gab es in Ihrer Zeit bei den Mönchen etwas, das Sie so nicht erwartet hätten?

  Natürlich hatte ich mir im Vorfeld Gedanken gemacht und mich gefragt, ob die Mönche wohl den ganzen Tag Kungfu trainieren. Aber der Schwerpunkt liegt auf Meditation und Sutras lesen. Die täglichen Qigong-Übungen spielen auch eine wichtige Rolle. Ziel ist es, den Körper zu beherrschen und die Energie zu organisieren. Und die Techniken der Mönche haben mich dann doch überrascht. Da gab es Mönche, die konnten einen Handstand auf zwei Fingern machen. Dafür trainieren sie aber auch sechs, sieben Jahre lang, denn sie müssen lernen die Energie in die Finger zu leiten. Damit sie nicht brechen. Wenn man das erzählt, glauben das viele nicht. Aber wir haben Photos gemacht.

  Felix Kurz (Foto/Wang Xiaoding, Beijing)

  Was ist das Geheimnis hinter dem Shaolin-Kungfu?

  Ein Geheimnis gibt es so eigentlich nicht. Ich glaube alles basiert auf jahrelangem oder besser ewigem Üben. Die Mönche haben eine absolute Disziplin. Sie können durch Qigong das Empfinden von Schmerzen ausschalten. Das ist offenbar auch das Entscheidende beim Kungfu. Blut fließt aber keines dort (schmunzelt).

  Was hat Sie während Ihres Aufenthaltes im Kloster am meisten beeindruckt?

  Die Freundlichkeit und Offenheit der Mönche. Die Gelassenheit, die sie ausstrahlen ist faszinierend. Sie lassen sich durch nichts aus der Ruhe bringen. In dieser Hinsicht kann man eine Menge von ihnen lernen. Wenn man diese innere Gelassenheit hat, kann man jede Krise überstehen. Die Shaolin-Mönche sind immer entspannt und gut drauf. Sie wirken nie unzufrieden. Sie strahlen eine innere Zufriedenheit aus, die sich auch auf die Umgebung auswirkt. Im Kapitel Tempelleben sieht man das ganz gut.

  Könnten Sie sich vorstellen, selbst als Mönch zu leben?

  Nein. Es gibt da so ein paar Dinge, auf die ich nicht verzichten möchte (lacht).

  Was für ein Projekt ist als nächstes geplant?

  Es gibt sicher viele spannende Geschichten zu den Shaolin. Ein paar Ideen schwirren dazu auch in meinem Kopf herum, aber diese bleiben erst einmal mein Geheimnis.

 
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