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„Die Seidenstraßen-Initiative ist ein Jahrhundertprojekt von historischer Bedeutung“
2017-07-05
 

von Huang Mengmeng, Beijing

Dr. h.c. Otto Schily, der ehemalige Innenminister der Bundesrepublik Deutschland während der Schröder-Regierung (von 1998 bis 2005), begrüßt die Seidenstraßen-Initiative. Gleichzeitig erörtert er Gründe für Zurückhaltung auf der europäischen Seite gegenüber dieser Initiative.

Dr. h.c. Otto Schily, der ehemalige Innenminister der Bundesrepublik Deutschland (Archivfoto)

China.org.cn: Herr Schily, die Seidenstraßen-Initiative wurde vor vier Jahren bekanntgegeben. Wie beurteilen Sie diese Initiative?

Otto Schily: Die Seidenstraßen-Initiative ist ein Jahrhundertprojekt von historischer Bedeutung. Der Name „Seidenstraßen-Initiative“ ist sehr klug gewählt, eben im historischen Rückblick, denn überall, wo die Seidenstraße verlief, gab es interessante wirtschaftliche Entwicklungen. Das kann man jetzt übertragen auf die heutige Situation, in der ganz andere Konditionen bestehen, eben in der Zeit des Zusammenwachsens der Kontinente und in der auch durch die moderne Kommunikationstechnik die Bedingungen natürlich anders zu beurteilen sind. Es kann sich aber in der Tat ein ähnlicher Prozess unter anderen Bedingungen vollziehen. Diese Initiative eröffnet der Wirtschaft in allen beteiligten Ländern vielversprechende Perspektiven in großen Dimensionen und die engere wirtschaftliche Zusammenarbeit wird auch der politischen Stabilisierung dienen.

Was bedeutet die Seidenstraßen-Initiative für Deutschland und die Europäische Union? Welche Kooperationschancen können sich zwischen Europa und China im Rahmen dieser Initiative entwickeln?

Die Politik und die Wirtschaft in Deutschland interessieren sich sehr für diese Initiative, das kann man aus verschiedenen Verlautbarungen erkennen. An dem „Belt and Road“-Forum für internationale Kooperation in Beijing vor einigen Wochen nahm mit der Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries eine hochrangige Vertreterin der deutschen Bundesregierung teil. Aber zu erwähnen ist auch, dass die Bundesregierung sich mit rund vier Milliarden Euro an der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) beteiligt hat. Dieses große finanzielle Engagement zeigt die hohe Bedeutung dieser Initiative für Deutschland.

In dem „White Paper on the future of Europe: Avenues for unity for the EU at 27” hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mehrere Szenarien für die Zukunft der europäischen Integration entworfen. Voraussichtlich Ende des Jahres wird er in einer „Rede zur Lage der Union“ Details nennen, wie die künftige Entwicklung der EU aussehen wird.

Die Seidenstraßen-Initiative spielt auch für die Weiterentwicklung der EU eine bedeutende Rolle. Diese Initiative kann zur Belebung der Wirtschaft in Europa beitragen. Die EU sollte nicht vergessen, dass einige Länder, die mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, zum Beispiel Griechenland, von der Seidenstraßen-Initiative profitieren können. Das gilt auch für Italien und andere schwache Länder in der EU. Ich möchte hier diese Chance betonen.

In den europäischen Ländern gibt es unterschiedliche Haltungen über die Seidenstraßen-Initiative. Es gibt innerhalb der EU Zweifel hinsichtlich dieser Initiative. Welche politischen und wirtschaftlichen Gründe gibt es für solche Skepsis und Zurückhaltung?

Es gibt sicherlich an der einen oder anderen Stelle noch Skepsis und Zurückhaltung gegenüber dieser Initiative. Es geht darum, ob die jeweiligen Interessen gleichberechtigt berücksichtigt werden. Nach meiner Einschätzung würde es dieser Initiative sicherlich nutzen, wenn China und die Europäische Union bei der Projektierung nicht mit vielen unterschiedlichen Formaten arbeiten, sonst können Verwerfungen entstehen, und es kann auch Koordinationsprobleme geben.

Die mittel-und osteuropäischen Länder (CEE-Länder) zeigen sich gegenüber den chinesischen Investitionen aufgeschlossener als Westeuropa. Welche Einschätzungen hat die EU gegenüber den China-CEE-Kooperationen hinsichtlich des Mechanismus von „16+1“ ?

Es gibt in der EU, die China-CEE-Kooperationen betreffend, skeptische Einschätzungen. Wir wollen keine überlappende Struktur. Die Sorge besteht, dass der Mechanismus von 16+1 sich möglicherweise störend auf die Kooperation zwischen China und der EU auswirken könnte. China und die EU sollten klare Partner sein, wenn es andere Formate gibt, mag man es akzeptieren. Aber es muss sicher sein, dass die EU der erstrangige Gesprächspartner von China bleibt. Ein Teil der 16 Länder sind EU-Länder, ein anderer Teil ist nicht der EU beigetreten, dazu gehören einige Länder auf dem Balkan. Wir wollen nicht, dass die EU-Länder mit unterschiedlichen Regeln und Formaten agieren.

(„16+1“: 16 mittel- und osteuropäische Länder. Von den 16 Staaten sind 11 Mitglied in der EU. Die 16 Staaten sind Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Mazedonien, Montenegro, Polen, Serbien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Rumänien.)

Welche Vorschläge haben Sie zur Verbesserung der Seidenstraßen-Initiative in Europa?

Die Seidenstraßen-Initiative wird dann erfolgreich sein, wenn sie auf Kooperation setzt, in der alle beteiligten Länder Gewinner sind. Die Kooperationen müssen auf gleichberechtigter Ebene stattfinden. Wichtig ist, dass die Seidenstraßen-Initiative nicht bloße Rhetorik bleibt.

Nach meiner Überzeugung sollten Meilensteine festgelegt werden. Es wäre zu begrüßen, wenn man sich auf eine Art Businessplan verständigen und festlegen könnte, welches Projekt mit welchen Beteiligten und in welchem Zeitraum durchgeführt werden sollte und durchgeführt werden kann. Es wäre sehr hilfreich, wenn die regionalen Projekte klar nach dem finanziellen Aufwand und dem Zeitbedarf definiert werden. Es wäre auch sehr hilfreich, wenn es Gremien gäbe, die die grenzüberschreitenden Projekte koordinieren.

Es entsteht natürlich auch eine Wettbewerbssituation. Wettbewerb ist immer gut, es fördert die Wirtschaft. Aber wichtig ist, dass der Wettbewerb fair bleibt. Projekte werden sicherlich anhand von Ausschreibungen vergeben. Diese Ausschreibungen sollten den WTO-Regeln entsprechen.

Herr Dr. Schily, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Die Autorin ist Assistant Research Fellow an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften

 
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